Als die Feder von Esens auf Rekordjagd ging


OZ-SERIE 1977 sprang Elke Galts als B-Jugendliche 6,05 Meter / Auch heute noch herausragende Weite

In der Serie „Zurückgeblättert“ greift die Ostfriesen-Zeitung jede Woche interessante Sportgeschichten aus der Vergangenheit auf. Im wöchentlichen Wechsel wird über Themen berichtet, die vor 10, 20, 30, 40 oder 50 Jahren für Schlagzeilen gesorgt haben.

Dieser Artikel wurde von der Ostfriesen-Zeitung zur Verfügung gestellt.

VON TIL BETTENSTAEDT
ESENS – Elke Galts kam aus dem Staunen nicht heraus, als ihr Blick durch das Olympiastadion in München schweifte. Die damals 17 Jahre alte Ostfriesin saß im Juli 1979 nicht etwa auf der Tribüne, sondern wartete an der Weitsprung-Anlage auf ihren großen Einsatz. Dank herausragender Leistungen – zwei Jahre zuvor hatte die hoch talentierte Leichtathletin etwa bei einem Sportfest in Oldenburg mit ihrem Satz über 6,05 Meter den Durchbruch geschafft – durfte sie bei den Deutschen Jugendmeisterschaften starten. „Auf der großen Anzeigetafel meinen Namen und den meines Vereins TuS Esens aufleuchten zu sehen, war auf der einen Seite zwar etwas beängstigend, andererseits machte es mich aber natürlich auch unheimlich stolz“, sagt die heute 55 Jahre alte Elke Galts.
Das imposante Umfeld in der Münchner Arena, in der fünf Jahre zuvor die FußballWM und 1972 die Olympischen Sommerspiele ausgetragen worden waren, schien die Esenserin damals nicht sonderlich zu beeindrucken. Das Finale des 100-MeterSprints beendete die A-Jugendliche auf dem fünften Platz, und im Weitsprung vollbrachte sie den weitesten Satz ihrer Karriere: 6,10 Meter. Bis heute ist keine Ostfriesin jemals weiter „geflogen“.
Vor fast genau 40 Jahren hatte Elke Galts in Oldenburg mit 15 einen persönlichen Rekord aufgestellt, der auch heute noch einen Topwert darstellt. Denn seit 1977 ist in ganz Niedersachsen kaum eine B-Juniorin bei einem Wettkampf weiter als 6,05 Meter gesprungen. Uwe Rolf, der die mehrfache Landesmeisterin im Weitsprung und auf den Sprintdistanzen seinerzeit beim TuS Esens trainierte und förderte, schwärmt noch immer von seinem ehemaligen Schützling. „Elke war ein Riesentalent und zählte zu den Besten in Deutschland. Sie sprang wie eine Feder“, sagt er.
Rolf ließ seine Leichtathleten damals sehr dosiert üben. „Dreimal pro Woche haben wir uns getroffen, manchmal auch noch zu einem Waldlauf am Wochenende“, erinnert sich Elke Galts. Die passionierte Tennisspielerin kann sich nicht erinnern, dass sie sich mal zum Training zwingen musste. Im Gegenteil: „Ich war traurig, wenn ich mal nicht hin durfte. Das Training war immer sehr spielerisch, wir hatten viel Spaß“, sagt sie.
In ihren überaus erfolgreichen Jahren schaffte Galts den Sprung in den C-Kader des Deutschen Leichtathletik Verbands. Es folgten etliche Zugfahrten zu Lehrgängen, nicht nur in ganz Deutschland. „Einmal haben wir im italienischen Bozen trainiert“, sagt sie.
Natürlich wurden in dieser Zeit so renommierte Leichtathletik-Klubs wie der ASV Köln, OSC Dortmund und Bayer 04 Leverkusen auf das große Talent aus Ostfriesland aufmerksam. „Ich erinnere mich noch an ein Angebot, das ich aus Leverkusen erhielt“, sagt Elke Galts. Nach reiflicher Überlegung entschied sie sich allerdings gegen die in Aussicht gestellte Lehrstelle und das intensive Training im Rheinland. „Es lag vor allem daran, dass ich meine Heimat nicht verlassen wollte“, sagt die 55-Jährige. Nicht lange nach ihrem größten LeichtathletikAbenteuer bei der JugendDM in München beendete sie dann sogar ihre Karriere. Zwar bereut Elke Galts diese Entscheidung nicht, allerdings denkt sie von Zeit zu Zeit daran, dass damals „wohl noch mehr gegangen wäre“. Ihr früherer Trainer Uwe Rolf ist davon überzeugt: „Elke hätte es auch bei den Frauen bestimmt in die deutsche, vielleicht sogar in die europäische Spitzenklasse geschafft.“
Doch auch ohne weitere Medaillen wird man die Feder aus Esens, die Ende der 70er Jahre auf Rekordjagd ging, sicher nicht vergessen.