Fischkotelett und gesalzene Pflaumen


von Jana Wemken / Quelle: laufexpress.de

Donnerstag: Um 12 Uhr gemeinsame Abfahrt von Varel aus nach Hannover. Dort erstes gemeinsames Kaffeetrinken und erstmalig Rita Girschikowsky (NLV Präsidentin) treffen.

Beim Check-In stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich meine Pass zwar kopiert habe, das Original jedoch im Kopierer in Varel habe liegen lassen. Nach einem Beinahe-Herzinfarkt meines aufgeregten Vaters verabschieden wir Stephan und Rita an der hannoveraner Zollschranke und ich buche um auf 24h später.

Freitag: Erneute Anreise nach Hannover (dieses Mal mit Pass im Gepäck!) und Check-In für Tokushima via Istanbul. Turkish Airlines serviert neben leckerem Drehverschluss-Rotwein Chicken with Rice, Chicken with Noodels and Chicken with Potatoe Salad, sodass ich bereits auf dem Flug Kohlenhydrate sammeln kann.

Samstag: Stephan und Rita trainieren am ersten Tag mit der ehemaligen Marathonläuferin Naoko Takahashi (Olympiasiegerin Sydney) und besuchen die Marathonmesse in Tokushima.

Gegen 18:00 lande ich auf dem Flughafen Osaka Kansai. Dort empfängt mich Martin Rathmann, Koordinator für internationale Beziehungen der Präfektur Tokushima. Ein Empfangsschild brauche ich bzw. er nicht, da er der einzige Blondschopf auf dem ganzen Flughafen ist. Martin, der fließend Japanisch spricht, ist unser Ansprechpartner und für uns Bodyguard, Übersetzer und Manager während der Tour zugleich.

Auf dem Flughafen gibt es dann ein erstes japanisches Abendessen mit viel Reis für den Kohlenhydrathaushalt. Die Soße erinnert an braune Bratensoße, aber nach der langen Reise ist mir fast egal, was meinen Magen füllt.

Um etwa 19:00 mit dem Fernbus nach Tokushima. Währenddessen gibt mir Martin einen ersten Einblick in das japanische Leben und die Gepflogenheiten.

Um 23 Uhr umarmen mich herzlich Rita und Stephan in der Hotellobby und sind froh, dass ich es doch noch nach Tokushima geschafft habe. Aufregung und Jetlag geschuldet, schaue ich das letzte Mal gegen 2:30 auf den Wecker und nutze die letzten Stündchen für ein Erholungsschläfchen.

Sonntag: Um 5:15 klingelt der Wecker. Dann heißt es duschen, anziehen, Tasche packen und zum Frühstück. Außer Toastbrot und Erdbeermarmelade entdecke ich nichts Westliches und gehe mit drei Scheiben Weißbrot und einer Tasse Kaffee auf „Nummer sicher“. Den rohen Fisch mit Algen und Reis zum Frühstück verschiebe ich auf den nächsten Tag.

Um 7:30 marschieren wir in NLV-Trikots zum Start. Dort erwartet uns bereits der Gouverneur der Präfektur Kamon Iizumi, der aussieht wie „Psy“ ohne Sonnenbrille, und begrüßt die Delegation aus Niede(r/l)sachsen und die zwei Gastathleten aus China.

Pünktlich um 9:00 startet der Marathon. Einen gemeinsamen Countdown gibt es nicht, dafür ein Blasorchester, das uns mit Mozart-Musik versucht in Stimmung zu bringen.

Die Strecke verlief zunächst durch die Stadt, danach von KM 4 bis 25 entlang des Flusses Yoshino. Eine wunderschöne Bergkulisse säumt den Laufweg und es fühlt sich abgesehen der Anstrengung in den Beinen wie Urlaub an.

Das Wetter bot Marathon-angenehme 13°C und es war trocken. Ein ordentlicher Wind von vorn auf der ersten Hälfte kostete Kraft und Nerven, aber war für uns (Ost-)Friesen keine außergewöhnliche Belastung. Die „Hügel“ waren für uns Flachlandtiroler jedoch eine kleine Herausforderung.

Die Stimmung war für asiatische Verhältnisse überdurchschnittlich ausgelassen und man feuerte uns mit lautstarkem „Gambare, Gambare“ (Halte durch!) an. Die Verpflegung an der Strecke bot ungewöhnlicher Weise nicht nur Bananen, Wasser und Iso-Getränke, sondern der sportliche Japaner setzt offensichtlich auch auf die Wirkung von Fischkoteletts, Schnitzel und stark gesalzene Pflaumen. Eine neue Erfahrung.

Nach 02:33:49 erreicht Stephan das Ziel als 9. von 7044 Herren, etwas mehr als eine halbe Stunde später mit einer Zeit von 03:08:08 folge ich als 7. Von 2153 Frauen mit neuer persönlicher Bestzeit. Wir sind beide zwar ein wenig müde nach 42km, aufgrund unserer „Haupsache-Ankommen-Renntaktik“ jedoch bestens gelaunt, noch fit zu Fuß und freuen uns auf japanische Spezialitäten im Zielbereich und einen großen Becher Kaffee.

Die Siegerehrung durch den Gouverneur verläuft förmlicher als auf deutschen Marathons und wundersamerweise läuft währenddessen nicht „We are the Champions“, sondern „Tochter Zion“ in der Dauerschleife. Noch eine neue Erfahrung. Bei der Ehrung der jeweils 10 schnellsten Läufer bzw. Läuferinnen, fällt nicht nur Stephan als größter Mann mit der größten Nase auf, sondern auch ich mit meinen 1,68 cm steche als ungewöhnlich „lang“ aus dem Bild heraus. Während die übrigen der knapp 9200 Finisher in das Stadion sprinten, humpeln, stolpern erhalten wir kunstvolle Uhrkunden und Geschenke. Geniale neue Erfahrung!

Nach der Siegerehrung haben wir eine halbe Stunde zum Duschen, danach gibt es Sandwiches mit Gruß vom Gouverneur und anschließend auf eine motorisierte Katamarantour durch die Flüsse der Stadt und auch eine kleine Stadtführung darf nicht fehlen.

Am Abend das erste richtige Japanische Dinner mit Mitarbeitern der Präfektur. Es werden unzählige Gerichte in mehreren Gängen gereicht. Ich denke, das meiste war roher Fisch mit Gemüse – so richtig sicher bin ich mir da aber bis heute nicht., da unser Übersetzer am anderen Ende des Tisches saß. Glücklicherweise gibt es zum Essen ein kühles Kirin-Bier für die ausgedurstete Läufer-Kehle. Schmeckt fast wie ein deutsches Blondes vom Fass.

Auf dem Rückweg bewundern wir das LED-Art Festival. Hierzu wurden zahlreiche LED-Installationen an den Brücken und Ufern kreiert und tauchen die nächtliche Stadt in ein buntes Lichtermeer. Während bei unseren Lichterfester an Rhein und Ruhr romantische Kerzen brennen, setzt der technik-afine Japaner lieber auf moderne LEDs.

Montag: Der Montag beginnt mit einer Seilbahnfart auf den Berg Bizan, von dem wir einen atemberaubenden Blick über die ganze Stadt, die Flüsse, die Landschaft haben.

Am Fuße des Berges verweilen wir in einem kleinen Souvenirshop und decken uns mit lokalen Spezialitäten ein. Besonders die Leckereien aus Süßkartoffel und Limetten sowie spezielle Accessoires in Blaufärbe-Technik werden erworben.

Gespeist wird in einem Hotel mit wunderschönem Blick über den Sportboothafen.

Am Nachmittag erwartet uns der Vize-Gouverneur zum Tee. Es werden Wort zum Marathon, zur Partnerschaft der Präfektur mit dem Land Niedersachsen sowie hübsche Gastgeschenke ausgetauscht.

Danach ist Zeit, shoppen zu gehen und den Yen in einer großen Shopping Mall rollen zu lassen.

Anschließend wird die feierliche Abendgarderobe angelegt und der Einladung des Direktors für internationale Zusammenarbeit in Tokushima gefolgt. Erneut werden uns viele leckere Speisen geboten und Geschenke verteilt. Ein Erinnerungsfoto schließt den festlichen Teil des Abends ab.

Zu späterer Stunden erhalten Stephan und ich noch einen Einblick in das japanische Nachtleben und geben unsere Sangeskünste in einer Karaoke Bar zum Besten. Auch wenn Bee Gee’s und Freddy Mercury nicht unserer Tonlage entsprechen, schlagen wir uns gut. Auf dem Weg ins Hotel machen wir noch einen Abstecher in das Rotlichtviertel um auch diese Seite der japanischen Kultur zu sehen.

Dienstag: Letzter Tag der Reise beginnt mit Frühstück und Check Out.

Erster Tagesordnungspunkt ist die Fahrt zu den Gezeitenstrudeln von Naruto, die wir aus nächster Nähe mit dem Boot besichtigen.

Zu Mittag speisen wir in einem Hotel mit Blick über die Präfektur und genießen ein herrliches Buffet japanischer Speisen aller Art.

Nach der Schlemmerschlacht, besuchen wir eine kleine Tontöpferei und dürfen sogar selbst zum Pinsel greifen und Schalen mit Mustern unserer Wahl verzieren.

Bevor wir uns auf den Weg zum Flughafen nach Osaka machen, machen wir Halt am Deutschen Haus, welches an das Rathaus in Braunschweig angelehnt ist und dessen Führung die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers „Bando“ behandelt. Im Shop sind dort typisch deutsche Spezialitäten zu erwerben: Uerige Altbier, Gaffel Kölsch, Haribo, Spreewaldgurken, Frankwurter Bockwurst, Dornfelder Wein…

Nach einer Kaffeepause bringen uns Mitarbeiter der Präfektur mit dem Fernbus zum Flughafen nach Osaka. Auf der Fahrt haben wir einen umwerfenden Blick über die Hafenstädte Kobe, Ashiya, Amagasaki und Osaka.

Um 21:00 verabschieden wir uns von unseren einzigartigen Reiseleitern und checken ein für Osaka-Istanbul-Hannover.

Mein Pass ist zum Glück nach wie vor in meiner Handtasche und mithin landen wir nach einem langen Nachtflug und Transfer in Istanbul am Mittwoch um 10:05 pünktlich in Hannover Langenhagen.

Eine unglaublich spannende, beeindruckende Reise geht zu Ende und wir sind erfüllt von unzähligen Eindrücken, von denen wir noch lange erzählen werden.

Nachtrag der Redaktion: Jana Ah Yung Wemken berichtet von ihrem Marathonerlebnis am 21.04.13. Sie und Stephan Immega wurden von Rita Girschikowsky, der Präsidentin des NLV begleitet. Wemken und Immega hatten in der vergangenen Zeit durch gute Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Eigentlich wurde in diesem Jahr eine japanische Delegation beim Hannover-Marathon erwartet. Aus organisatorischen Gründen konnte der japanische Verband in diesem Jahr nicht kommen. So wurden Jana und Stephan kurzfristig angesprochen und nahmen erst vier Wochen vor dem Marathon das Marathontraining auf.

Tokudelegation

Jana Wemken und Stephan Immega (ganz rechts)